Das Plusenergie-Haus
Ziele und -Definitionen
Für das Plus-Energie-Haus gibt es keine offizielle Definition, jedoch inzwischen eine Vielzahl unterscheidlicher Beispiele. Meist meint dieser Begriff, dass ein Haus über ein Jahr gesehen, mehr Energie erzeugt, als es benötigt. Ob damit aber Wärme, Strom oder Primärenergie gemeint ist, ist individuell unterschiedlich.
Die eigene Energieerzeugung eines Plusenergie-Hauses erfolgt i.d.R. mit einer sehr großen Photovoltaikanlage, die durch eine thermische Solaranlage ergänzt sein kann. Der selbst erzeugten Stroms wird meist nur zum kleinen Teil selsbt für Licht und Kraft verbraucht. Zum größeren Teil wird er im Frühjahr oder Herbst direkt oder mit einer Wärmepumpe in Wärme umgewandelt und als Warmwaser oder Heizwärme verbraucht. Im Winter reicht die Eigenerzeugung meist nicht für den Strom- und Wärmebedarf aus, so dass aus dem öffentlichen Stromnetz Zusatzstrom bezogen werden muss oder mit einem Holzofen zugeheizt wird. Im Sommer entstehen bei sehr großen PV-Anlagen erhebliche Stromüberschüsse. Diese werden dann ins Stromnetz eingespeist, wofür es heute nur noch relativ wenig Vergütung gibt. Dies ist unvermeidlich, da eine Bevorratung des Winter-Heizenergiebedarfs aus Sommer-PV-Stromüberschüssen in Batterien unerschwinglich ist und fast alle Plusenergie-Häuser ausdrücklich keinen großen Saison-Wärmespeicher haben wollen, so wie es Kernstück eines Nullenergiehauses ist. Die ebenfalls als Saison-Speicher denkbare Eigenerzeugung von Wasserstoff aus Sommer-Überschussstrom mit späterer Rückumwandlung in Wärme oder Strom ist leider noch zu wenig entwickelt, wäre aber vermutlich bei Serienproduktion günstiger. EFH-Brennstoffzellen für die Gebäudeheizung werden in Japan schon in großen Mengen installeirt, allerdings noch ohne dezentrale Wasserstofferzeugung. Im Unterschied zum Nullenergie-Haus kommt ein Plusenergie-Haus als nicht aus eigenen Vorräten und ohne winterlichen Energiebezug über den Winter, sondern will vor allem in der Jahresbilanz „glänzen“.
Leider verlassen sich viele Bauleute und Anbieter solcher Häuser zu sehr auf technische Wunder und fiktive Bilanzen vernachlässigen das Triviale sowie oft auch die Kosten. So verzichten sie ohne Not auf eine sehr gute Wärmedämmung in Passivhaus-Qualität und verlassen sich vor allem auf PV-Technik, Wärmepumpen, Batteriespeicher und Smart-Home-Bedieneroberflächen. Dafür geben sie teils deutlich mehr Geld aus, als es für eine Reduzierung des Bedarfs nötig wäre. Die Ergebnisse weichen leider oft erheblich von den Prognosen ab. Dies zeigt z.B. der inzwischen vorliegenden Ergebnisbericht des Living Lab Wuppertal, einer Plusenergie-Haus-Mustersiedlung, die vom Bundeserverband Deutscher Fertigbau unter Betreuung des Fraunhofer-Instituts realisiert wurde (siehe Luftbild):
14 von 17 Häusern verfehlten bisher ihr selbst gestecktes Ziel, pro Jahr mehr Energie zu erzeugen, als sie verbrauchten. Nur eines machte nennenswert „Plus“ und dies war das einzige mit einer Passivhaus-Gebäudehülle. Alle anderen brauchten scheinbar einfach zu viel Wärme oder ihre Technik hielt nicht, was sie leisten sollte. Auch bei den Kosten ergibt sich kein „Plus“. Vielmehr stehen erheblichen Mehraufwendungen für Technik nicht unterhebliche Stromkosten gegenüber, die durch die sommerliche Einepeisevergütung nur begrenzt verringert werden. Einen ausführlichen Artikel dazu enthält das „Passivhaus-Kompendium 2018“ auf Seite 52 ff. Die ausführlichen Fraunhofer-Forschungsergebnisse sind hier nachlesbar.
Trotz solcher Rückschlge bleiben die damit gemachten Erfahrungen spannend. Wer aber nüchtern denkt, sollte der Verringerung des Wärmebedarfs und der saisonalen Speicherung von Wärme absehbar noch den Vorzug geben vor einer wesentlich strombasierten Lösung mit Netz als Saisonpuffer im nur auf KfW-40-Niveau gedämmten haus (Vergleich siehe hier). Dies nicht zuletzt, weil der angemessene Preis für sicheren, aber nur im Winter nachgefragten Saison-Heiz-Strom künftig sicher deutlich teurer sein wird als unser heutiger Ganzjahresstrom. Das Netz als Strom-Saisonspeicher ist nämlich weder kostenlos, noch wäre eine Umlage individueller Spitzenlastkosten für winterlichen Heizstrom auf die Allgemeinheit der Stomkunden angemessen.
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