Passiv-Haus-Siedlung
"Wohnprojekt Lurup"
Hamburg Brachvogelweg

Bauherr: Bau- und Wohngenossenschaft Brachvogel eG 
Planer: Architektin Christiane Gerth, Ohlestraße 40d, 22547 Hamburg
Standort: Brachvogelweg Hamburg-Lurup 
Baujahr: 2001-2002

Im Rahmen der energetischen Vorprüfung des Hamburger Passivhaus-Wettbewerb wurde die Berechnung vom NEI überprüft.

Der nachfolgende Text wurde von Frau Gerth verfaßt:

Hintergrund
Der Bau von Passivhäusern beginnt sich in Nord- 
deutschland gerade zu etablieren. Passivhäuser mit den
für den Norden typischen Verblendfassaden sind jedoch
ein Novum, das selbst von Kennern der Szene noch vor 
Kurzem als nicht machbar eingeschätzt wurde.
Sie sind machbar: Im Westen Hamburgs errichtete die 
Bau- und Wohngenossenschaft Brachvogel eG eine 
Siedlung mit 45 Wohnungen, die im November 2002 
fertiggestellt wurde. Elf Reihenhäuser dieser Siedlung 
wurden als Passivhäuser mit Verblendfassaden 
ausgeführt, weitere 34 Wohnungen sind im 
Niedrigenergiestandard erstellt worden. 


 


Die Idee
Die Absicht, in dieser Siedlung auch Passivhäuser zu 
erstellen, entstand nach einer Exkursion nach Kassel 
und Darmstadt. Die Besichtigung mehrerer – großen- 
teils bereits bewohnter – Passivhäuser überzeugte 
Bauherrin und Architektin: die Bewohner schwärmten 
von ihren behaglichen Häusern. 
Lediglich die immer wiederkehrende und scheinbar 
unvermeidliche Putzfassade – als Folge einer Hoch- 
dämmung der Außenhaut – ließ ein schales Gefühl der
Unzufriedenheit bei den norddeutschen Besuchern 
zurück. 
Die Passivhäuser der Siedlung Brachvogelweg wurden 
dennoch zunächst mit der verbreiteten Thermohaut- 
Außenwand und Putzfassade geplant. 
Erst kurz vor der Auftragsvergabe für die Bauaus- führung fiel die Entscheidung für ein 2-schaliges Außenmauerwerk mit Verblendfassade auch für die Passivhäuser. 
Diese Entscheidung war das Ergebnis einer 
energetischen Optimierung, die von der Gebäude- 
ausrichtung und -form über eine intensive Detailarbeit 
und über den Nachweis minimierter Kältebrücken 
schließlich zu der geforderten energetischen 
Gesamtbilanz führte.

Das Konzept
Die 11 Passivhäuser (Reihenhäuser) sind in Nord-Süd- 
Richtung orientiert und in einer energetisch günstigen, 
kompakten Bauform mit 2 Geschossen und Pultdach 
konzipiert – ohne weitere Gebäudeversprünge und ohne
Keller. Die Nordfenster der Passivhäuser wurden zur 
Reduzierung von Wärmeverlusten verhältnismäßig klein
gehalten, während die großen bodentiefen Südfenster 
einen Energieeintrag einbringen. 

Der Grundriss wurde so konzipiert, dass sich alle 
Wohnräume nach Süden orientieren, während Schlaf-
und Nebenräume im Norden angeordnet sind, der 
Wohnungseingang im Norden ist jeweils mit einem
Windfang versehen. Die Wohnflächen im Dachgeschoss
werden über die Südfassade belichtet, so dass der
Einsatz von thermisch ungünstigen Dachflächenfenstern
entfällt. Balkone und Vordächer stehen eigenständig 
und thermisch getrennt vor der Fassade. Die Balkone 
und die über den Balkonen befindlichen kleinen 
Vordächer erfüllen neben der Nutzungsfunktion ebenfalls die Aufgaben:
- zur Zeit der steilen Sommersonne für eine Ver-
  schattung der südorientierten Wohnräume zu sorgen,
- die Holzfensterelemente vor der Witterung – insbe- 
  sondere der Sonneneinstrahlung – zu schützen,
- Tragkonstruktion der Photovoltaikelemente zu bilden,
- die Fassade optisch zu gliedern, die eingesetzte
  Photovoltaik für den Betrachter erlebbar zu machen.
Die Wohnungen der NEH-Häuser sind nach Südwest 
(Eckgebäude) bzw. nach West – Ost (Westflügel) aus-
gerichtet. Diese Ausrichtung ergab sich aus der städte-
baulichen Situation: sie ermöglicht eine Orientierung
der Wohnungen zur benachbarten Parkanlage mit
herrlichen Ausblicken, sowie zu den Innenhöfen, in 
denen sich das gemeinschaftliche Leben abspielt.
 
 
 
 
 
 

 

Die Konstruktion

Alle Außenbauteile der Passivhäuser sind hochgedämmt
und erfüllen mit 9,59 – 14,88 kWh/m²a die Anforder- 
ungen an den maximal zulässigen Heizwärmebedarf von
Passivhäusern.

Als tragendes Außenwandmaterial wurden 24 cm Poren-
beton (WL 0,100) eingesetzt. Die Kerndämmung besteht
aus 15 cm Mineralfaser (WL 0,035), so dass die 
handelsüblichen Verblendanker verwendet werden
konnten. Als Außenhaut dient eine 11,5 cm starke 
Verblendschale aus Hochlochziegeln 1600 (WL 0,68). 
Die Innenwände und Wohnungstrennwände sind in Kalk-
sandstein erstellt, um einen guten Schallschutz und ein
gutes Wärmespeichervermögen zu gewährleisten.

Alle Fenster bestehen aus einer 3-fach-Verglasung und
gedämmten Holzrahmen, bei einem Gesamt – U-Wert 
von 0,77 bzw. 0,83 W/(m2K), abhängig von der Lage und
dem Zuschnitt des Gebäudes. Die Fenster sind in der
Ebene der Kerndämmung eingesetzt und im tragenden
Hintermauerwerk mittels QMS–Befestigungsschienen
verankert. Die Abdichtung der Fenster erfolgte 4-seitig
mit Butylband, die  Fensterbefestigungsschienen wurden
zusätzlich abgedichtet. Diese Abdichtungsmethode
erwies sich als dauerhafte und sicher winddichte Lösung,
hier ergaben sich keine Beanstandungen aus den 
Blower-Door-Messungen.

Die Dächer bestehen aus einer TJI-Trägerkonstruktion
mit Gründachaufbau (extensiv). Sie sind mit einer 
Dämmung in Isophen (WL 0,035) von insgesamt 40 cm
versehen.

Die Gebäude besitzen keinen Keller. Der Estrich des
Erdgeschosses ist auf 24 cm Polystyrol-Hartschaum-
dämmung (WL 0,035) und 2 cm Trittschalldämmung 
(WL 0,035) schwimmend verlegt worden.

Insgesamt wurde eine lückenlos dämmende und luft- 
dichte Hülle von der Architektin geplant und von der 
Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. 
zertifiziert. Alle Öffnungen und Materialwechsel in der
Außenhaut sind systematisch in den Architektendetails
geklärt und alle Kältebrücken durch den Energieplaner
Dr. Wilezich nachgewiesen worden. 
Die sorgfältige Detailarbeit setzte sich auch während der Ausführung auf der Baustelle fort: Die Mitarbeiter
von Fa.Thölebau waren so gut eingewiesen, dass alle
relevanten Ausführungspunkte ohne Beanstandungen
ausgeführt wurden und die abschließenden Blower- 
Door-Tests auf Anhieb zu guten Ergebnissen führten.
 
 
 
 
 

 


Die Haustechnik:
In jedem Reihenhaus (Passivhaus) wird die Frischluft 
mittels eines Ventilators über einen Außenluftfilter 
angesaugt und in einem Gegenstromwärmetauscher
(Effizienz 85 %) von der warmen Abluft erwärmt. Die 
Verteilung der Zu- und Abluft erfolgt auf kurzem Wege
über ein zentrales Treppenhaus. 
Die Zuluftzonen werden über Weitwurfdüsen mit Frisch-
luft versorgt, im Bedarfsfall wird die Zuluft mittels eines
kleinen Heizkörpers unterhalb der Austrittsöffnung 
nacherwärmt. Der Restwärmebedarf für die Nach- 
erwärmung bzw. für die Warmwasserversorgung wird 
über Fernwärme erzeugt. Der Warmwasserspeicher 
befindet sich jeweils im Heizungskeller des Eckge- 
bäudes, unmittelbar im Anschluß an die benachbarte
Reihenhauszeile, die Verteilung zu den jeweils 4 bzw. 
3 Reihenhäusern erfolgt direkt und auf kurzem Wege, 
so dass auch hier die Energieverluste minimiert sind. 

Die Wohnungen der Niedrigenergiehäuser sind mit 
einer kontrollierten Lüftung ohne Wärmerückgewinnung
ausgestattet: die Zuluft tritt über Spaltventile der 
Fensterrahmen in alle Wohnräume ein, die Abluft wird 
über Abluftventile mittels einer Lüfterbox aus Küche, 
Bad und WC abgesogen. 

Die Heizungs- und Warmwasserversorgung erfolgt hier
ebenfalls über Fernwärme, von der Übergabestation 
aus wird die Wärme in die Heizungskeller aller 3 Höfe 
verteilt und von dort in die jeweiligen Wohnungen 
weitergeleitet. Die Heizkörper der Niedrigenergiehäuser
befinden sich aus Behaglichkeitsgründen in Fensternähe.


 

Ökologisches Bauen
Die Dächer aller Gebäude sind extensiv begrünt. Auf 
den südorientierten Dächern über den Balkonen der 
Passivhäuser wurde eine Photovoltaikanlage mit einer 
Leistung von insgesamt 8 KW installiert. Diese Anlage 
konnte nur durch das Engagement einer Betreiber- 
gemeinschaft, der Röbbek Energieanlagen GmbH & 
Co.KG, realisiert werden, da die Investitionskosten im 
Rahmen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus 
nicht finanzierbar waren. 

Regenwasser wird nicht in das Regensiel eingeleitet, 
sondern für die Gartenbewässerung genutzt, bzw. von 
den Gründächern aufgenommen und über offene 
Mulden versickert. 

In allen WCs wurden 4 l – Wasserspartoiletten mit 
Sammelhebern eingebaut. Die verwendeten Dusch- 
köpfe erzielen einen Wasserdurchsatz von nur 
6 l / min. 
Geschirrspüler und Waschmaschinen erhielten 
ebenfalls einen Warmwasseranschluß, um das 
elektrische Aufheizen des Wassers zu vermeiden.
Alle verwendeten Baumaterialien wurden nach 
ökologischen Kriterien ausgewählt und bieten ein 
gesundes Raumklima. Es wurden weder Bauschäume 
noch PVC-Folien eingesetzt, das Gründach z.B. wurde
mit Kautschukbahnen abgedichtet.

Die Bodenbeläge in den Wohnräumen – Linoleum, 
Holz, Keramik – sind umweltfreundlich, langlebig und 
gut zu pflegen.

Die Siedlungshöfe sind autofrei. PKWs werden entlang 
der Erschließungsstraße Brachvogelweg in Carport- 
anlagen untergebracht. 

Das Ergebnis
Entstanden ist eine Siedlung mit hoher Wohnqualität und einem umfassend realisierten ökologischen Programm - finanziert im Rahmen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus.
Gründächer und Photovoltaikflächen weisen schon beim ersten Betrachten auf das Besondere dieser Siedlung hin. 
Die Wahl der Verblendfassaden und der verzinkten Balkone und Vordächer, sowie die Detailausbildungen lassen einen unterdurchschnittlichen Instandhaltungsaufwand erwarten - wie von der Bauherrin beabsichtigt. 
Die Passivhäuser mit ihrer Hochdämmung der Außenhaut und der Wärmerückgewinnung sind nur für den aufmerksamen oder eingeführten Besucher ablesbar: Hier wird ganz normal gewohnt - denn ein Passivhaus ist letztlich nichts anderes als der konsequent weiterentwickelte Standard im Wohnungsbau.